Ja ich will … Herr Minister Strobl

2016-07-07 09:15 von Peter Schweizer (Kommentare: 0)

Eine Beitrag von Peter Schweizer

Ja, ich will – oder wieso Politiker vielleicht mal anfangen sollten, zu tun …

Antrittsbesuch bei der Wirtschaft der Region Stuttgart – der neue Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration, Thomas Strobl, eröffnete die gestrige Sitzung der Vollversammlung der IHK mit einer 90-minütigen Darstellung seiner anstehenden Regierungspolitik der kommenden fünf Jahre für Baden-Württemberg.

Normalerweise sind solche Reden geprägt von Anbiederei, Lobhudelei und ansonsten weitgehend sinnfreien Ankündigungen und Versprechungen, die man sich, da sie sowieso nicht eingehalten werden, eigentlich schenken kann. Thomas Strobl machte hier keine Ausnahme.

Die anwesenden Vertreter der Wirtschaft der Region erfuhren nicht nur, dass Strobls 89-jähriger Vater mittlerweile auf der Autobahn auf seine Automatik schwört, sondern auch, das Digitalisierung jetzt der entscheidende Faktor für das Überleben der hiesigen Wirtschaft sein wird. Von seiner Heilbronner Heimat, die er mehrmals als selbige hervorhob und die das schon ganz tolle mache, bis in den Schwarzwald wünschte er sich schnelles Internet, ob per Kabel, LTE oder 5G, das sage und schreibe zehnmal schneller wäre als alles andere.

Wer an dieser Stelle noch nicht abgeschaltet hatte und sich darüber ärgerte, dass der Handyempfang im neuen 40 Millionen Euro teuren IHK-Gebäude so schlecht war, dass man nicht mal seine Mails checken, geschweige denn, die neusten Katzenvideos anschauen kann, fragte sich, wo dieser Minister eigentlich die letzten zwanzig Jahre verbracht hatte.

Strobl brachte mit seiner Rede eines der Grundprobleme heutiger Politik treffend auf den Punkt: Man will. Man will schnelles Internet, man will die Digitalisierung, man will die Jugend über neue Medien informieren, man will … So geht es schier unendlich weiter und der Zuhörer schreit innerlich auf: „Ja, dann mach doch!“ – wer, wenn nicht der Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration, kann schnelles Internet realisieren? Mein Sohn will auch immer was, besonders im Spielzeugladen. Bekommen tut er es aber nicht.

Darüber hinaus muss sich unser neuer Minister, der sich von seinem Vorgänger nur durch die Länge des Redens und den angenehmen Teint unterscheidet, vorwerfen lassen, dass Politik in gewissen Bereichen visionär sein sollte und nicht wie hier, einfach die Werbeparolen der Unternehmensberater und großer IT-Dienstleister wiederholen. Schnelles Internet brauchen wir seit 1995. Das sind jetzt mehr als zwanzig Jahre. Mehr Raum für Innovationen und junge Gründer brauchen wir fast ebenso lange und der Ruf nach neuer Mobilität? Ich kann es nicht mehr hören. Seit ich 1985 in der fünften Klasse gelernt hatte, dass die Baden-Württemberger Automobil-Industrie ein Auslaufmodell ist, hoffe ich darauf, dass  zwischenzeitlich ein paar dieser Fünftklässler auch in der Chefetage von Daimler angekommen sind.

Herr Minister, liebe Wirtschaftsführer, ich will, dass Sie jetzt alle mal einfach was machen und nicht nur Absichtserklärungen raushauen, die das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben sind. Und beim nächsten Mal will ich wenigstens, wenn schon die Rede so käslangweilig ist, ein paar Chips dazu.

Der Autor: Peter Schweizer ist Inhaber der Internetagentur Living the Net in Ludwigsburg.

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